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Einführung ins Interview mit Alexios.


Im ersten Post geht es um meinen Vorgänger Alexios, ein ehemaliger ASF-Freiwillige in den Gedenkstätten Brandenburg an der Havel. Alexios leistete seinen Freiwilligendienst von September 2016 bis August 2017. Während seines sozialen Jahres ist er auf Lebensgeschichten gestoßen, die sein wissenschaftliches und persönliches Interesse geweckt und teilweise auch sein Leben verändert haben. Seid ihr neugierig geworden? Ich schon!

Es geht um die griechischen Häftlinge während des Nationalsozialismus im Zuchthaus Brandenburg-Görden. Und wahrscheinlich kommt die Frage von euch: „Hä? Was machten griechische Häftlinge in Brandenburg an der Havel?“

Im Interview, das ich mit Alexios aufgenommen habe, beantwortet er nicht nur diese Frage, sondern gibt einen vertiefenden Einblick in die Geschichte der Zwangsarbeit der griechischen Häftlingen während des Zweiten Weltkrieges.

Aus diesem Interview erfahrt ihr, unter welchen Bedingungen die Gefangenen im Zuchthaus Brandenburg-Görden lebten und wozu ihre körperliche Arbeit ausgenutzt wurde. Außerdem erzählt uns Alexios, womit er sich derzeit beschäftigt, was er persönlich in seinem Beruf faszinierend findet und was er für die Zukunft vorhat.

Das ganze Interview könnt ihr gerne auf dem YouTube-Kanal der Gedenkstätten mit Untertiteln angucken oder einfach das Transkript lesen.

PS. Wegen des Interviews mit mir ist Alexios nicht zum Strand gegangen. Lieber Alexios, danke dir nochmal für geschenkte Zeit und für diese Heldentat. Alles Gute für die Zukunft!



Transkript des Interviews


Dascha: Hallöchen Alexios!

Alexios: Hallo, Dascha. Wie geht es dir?

Dascha: Mir geht es sehr gut, und dir?

Alexios: Auch gut!

Dascha: Es ist gut. Also, könntest du dich ganz kurz vorstellen?

Alexios: Ich heiße Alexios Ntetorakis Exarchou, ich komme aus Griechenland und ich studiere europäische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und University College Dublin. Ich habe als Freiwilliger von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in den Gedenkstätten Brandenburg an der Havel gearbeitet – für ein Jahr. Dort habe ich über die griechischen Häftlinge im Zuchthaus Brandenburg recherchiert. Ich habe gerade meine Masterarbeit über dieses Thema abgeschlossen. Und jetzt bin ich zurück in Griechenland, wo ich an einem Oral History Projekt arbeite.

Dascha: Ja, es ist sehr interessantes Thema. Ich wollte dich fragen, ob du uns erklären könntest, was überhaupt griechische Häftlinge in Brandenburg an der Havel gemacht haben.

Alexios: Ja, klar, um die Geschichte der griechischen Häftlingen in Brandenburg zu verstehen, brauchen wir zuerst einen Überblick über NS-Zwangsarbeit in Griechenland.
Zwangsarbeit und Inhaftierung in Deutschland während des Krieges ist ein ganz unerforschtes Thema in Griechenland. Im Gegensatz zu anderen Ländern gab es keine organisierte Einstellung von Zwangsarbeitern in Deutschland.

Es gab in Griechenland keine großen industriellen Arbeitskräfte. Und Widerstand gegen Pläne zur Zwangsrekrutierung von Arbeitern führten dazu, dass diesen 1943 abgesagt wurde. Aber im letzten Jahr der Besatzung, bis Oktober 1944, kam es zu den Massenverhaftungen und Deportierungen nach Deutschland. Der Grund war, die Arbeitskraft von diesen Leuten auszunutzen. Obwohl die Zahl der griechischen Deportierten niedriger als von den anderen Ländern war, kann man Griechen in den großen Konzentrationslager wie Dachau oder Neuengamme, Mauthausen und in den mehreren Arbeitslagern in Deutschland und Österreich finden. Das Strafvollzugssystem trug dazu bei, indem es verurteilte Gefangene aus Griechenland aufnahm.

In diesem Zusammenhang können wir verstehen, warum im Jahr 1944, 282 Griechen in Brandenburg inhaftiert waren.

Die meisten von ihnen waren von deutschen oder italienischen Kriegsgerichten verurteilt worden. Es gab aber auch 40 Personen die wurden in Rahmen einer Massenverhaftung verhaftet und ohne Gerichtsverfahren ins Zuchthaus gebracht.

Die Verurteilten wurden aus verschiedenen Gründen verhaftet. Es gab Widerstandskämpfer mit den langen Haftstrafen, aber es wurden auch Menschen, die wegen Diebstahl oder Hehlerei festgenommen. Ihre Aktionen waren aber gegen die Besatzungsbehörden in Griechenland. Z.b. sie hatten etwas von der Wehrmacht gestohlen und daher es ist schwierig zwischen politischen und kriminellen Gefangenen zu unterscheiden.

In Brandenburg arbeiteten fast alle Griechen für Arado, ein Betrieb, der Flugzeuge machte. Die Gefangenen mit leichteren Strafen wurden im sogenannten Griechenlager festgehalten. Und andere blieben im Zuchthaus
Die Bedingungen im Griechenlager waren besonders hart mit vielen Arbeitsstunden und minimalem Essen. Es gab viele Krankheiten und einige Häftlinge starben. Mindestens 19 Leuten aus Griechenland starben während ihrer Haft in Brandenburg oder nach der Befreiung.

Dascha: Danke und wie bist du überhaupt zu diesem Thema gekommen. Zum Thema griechische Häftlinge in Brandenburg.

Alexios: Als ich Freiwilliger war in Brandenburg habe ich über die Häftlinge recherchiert. Ich habe es geschafft, mehrere Familien von ehemaligen Häftlingen zu kontaktieren. Ich habe das Telefonbuch benutzt, um sie aufzuspüren.
Die meisten von ihnen hatten positive Reaktionen und teilten mit mir Informationen und Fotos aus persönlichen Archiven. Ich habe auch in Archiven in Griechenland recherchiert. Und es war sehr interessant, die Informationen aus diesen verschiedenen Quellen mit den Informationen aus den Zuchthaus-Archiven zu kombinieren.

Also einer der faszinierten Momenten war, als ich einen Überlebenden, Herr Apostolos Papagelu fand und geschafft habe, ihn für die Ausstellung zu interviewen. Papagelu, der leider vor 2 Jahren gestorben ist, wurde bei den Protesten gegen die Zwangsrekrutierung von Arbeitern durch die Italiener in Athen festgenommen. Deshalb ist es ein bisschen ironisch, dass er als Gefangener in Brandenburg landete, wo er ein Zwangsarbeiter war. Ich habe mit ihm per Telefon gesprochen, er hat da über seine Geschichte erzählt.
Am Anfang war er begeistert, als ich ihn Athen versucht habe zu treffen, war er nicht sicher. Es gab einige Problemen ihn zu treffen. Aber am Ende konnte ich ein paar Freunden von ihm finden, und sie haben ihn überzeugt, dieses Interview zu geben.

Dascha: Das ist echt sehr spannende Geschichte. Und darf ich eine persönliche Frage stellen? Was bedeutet für dich persönlich diese Geschichte, deine Arbeit, was nimmst du persönlich von deiner Forschung mit?

Alexios: Also was ich wichtig fand, war, mit allen Verwandten der ehemaligen Häftlinge zu sprechen. Viele von ihnen hatten keine Ahnung, wo genau in Deutschland ihre Väter oder Großväter inhaftiert waren. Es ist interessant: Die meisten von diesen ehemaligen Häftlingen wollten nicht viel darüber sprechen. Wie gesagt, das ist ein ganz unerforschtes Thema in Griechenland. Also Leute, mit denen ich gesprochen habe, fanden erst interessant und auch sentimental, dass jemand sich für die Geschichte ihrer Familienangehörigen interessiert. Ich habe mit ihnen Informationen geteilt, die ich wusste, ich habe ihnen Informationen von Archiven von Zuchthaus über ihre Angehörigen geschickt.

Und das fanden die meisten interessant. Ich finde es immer sehr faszinierend, die Geschichten der alltäglichen Menschen wie diesen zu finden und das motiviert mich über ihr Leben zu forschen und darüber zu schreiben. In Zukunft hoffe ich, dass ich mehr Informationen finden kann und, hoffentlich, auch ein Buch darüber schreiben und veröffentlichen kann.

Dascha: Das klingt sehr spannend. Danke dir für das Gespräch und ich wünsche dir viel Erfolg mit deiner Forschung

Alexios: Danke dir auch. Vielen Dank!
Dascha: Tschüss

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Hallo zusammen! Ich bin Dascha, Freiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienst (ASF) in den Gedenkstätten Brandenburg an der Havel. Schon seit Januar 2021 leiste ich meinen Freiwilligendienst im Bereich "Historische Bildung", worüber ich mich sehr freue, da ich selbst Historikerin bin. In der Ukraine, meinem Heimatland, habe ich sechs Jahre Geschichte studiert und nachdem ich mit meinem Studium fertig geworden bin, wurde mir klar, dass ich unbedingt praktische Erfahrung in diesem Bereich sammeln will. Seit dem Beginn meines Dienstes vertiefe ich nicht nur meine Kenntnisse über die Geschichte des 20-ten Jahrhunderts, sondern lerne auch andere Menschen und dadurch andere Kulturen kennen. Mein Aufenthalt hier ist voll von neuen Ereignissen, Begegnungen und Erfahrungen. Damit ich meine Gedanken und Reflexionen aus dem sozialen Jahr teilen und gleichzeitig über die Arbeit in den Gedenkstätten Brandenburg an der Havel berichten kann, habe ich mich dafür entschieden, einen Frei